Laura Baginski zu ihrer künstlerischen Arbeit

Die Auseinandersetzung mit den organisch-zyklischen Prozessen der Natur und deren Verbindung zum Menschen, insbesondere zum weiblichen Körper und zur weiblichen Identität, zieht sich als roter Faden durch meine plastische und zeichnerische Arbeit. Die an sich sehr sinnige Nähe von Weiblichkeit und Natur, wie ich sie aus meiner eigenen Leibeserfahrung als Frau kenne, stellt sich aber aufgrund ihrer historischen Instrumentalisierung zur Bannung der Frau, sei es direkt durch Unterdrückung oder indirekt durch Idealisierung, als eine äußerst vorbelastete dar. In der Darstellung der Vulva, auf die Spitze getrieben im Motiv der “Vulvaweisenden” oder “Baubo” und ihrer Geste des “Alles Zeigens”, des sogenannten “Anasyrma”, zeigt sich diese Problematik meines Erachtens am eindrücklichsten, weshalb ich dieses Motiv in meiner künstlerischen Arbeit aufgegriffen habe. Das weibliche Genitale, dessen visuelle und verbale Darstellung anders als der des Penis bis heute einer starken Tabuisierung unterliegt, ist in unserer Kultur zu einem Ort des Mangels geworden. Zwar ist in der psychoanalytischen Definition Geschlecht an sich immer ein Hinweis auf die menschliche Unvollkommenheit, im Sinne des Geschlechtsunterschieds und unserer Sterblichkeit, doch durch die kulturelle Positivierung des Phallus zum Symbol einer vermeintlich zu erlangenden Vollständigkeit durch die Verwechslung mit dem realen Penis, ist die Vulva zum Ort des Mangels, des Lochs, des “Nichts-zu-Sehens”, ja gar des Todes degradiert worden. Vollständige Darstellungen der Vulva sind ausser im Bereich der wiederum über den männlichen Blick definierten Pornografie kaum zu finden. Im Gegensatz zum omnipräsenten Phallus gibt es also auf der symbolischen Ebene für die Frau keinerlei Bilder, über die sie sich als vollständig imaginieren könnte, was wiederum einer weiblichen Subjektivierung im Wege steht.
Die Genderforscherin und Psychoanalytikerin Monika Gsell hat in ihrer Studie zur Repräsentation des weiblichen Genitales gezeigt, dass die Figur der Baubo solch eine Funktion erfüllen könnte. Der bruchstückhaft überlieferte Mythos von Baubo und Demeter kann gelesen werden als ein Hinweis auf eine zyklische Weltvorstellung, in der Fruchtbarkeit, Sexualität und Tod noch nicht getrennt vorkommen wie im christlich-abendländischen, linearen Denken des ewigen Lebens und ewigen Todes, in dem Sexualität spätestens seit dem weiblichen “Sündenfall” nur noch dem Tod zugeordnet wird. Im Mythos heilt Baubo die Göttin Demeter, die in Folge des Verlusts ihrer Tochter Persephone Nahrung verweigert, indem Baubo Demeter ihr Genitale zeigt. Damit erinnert sie Demeter an deren eigene Vollständigkeit im Sinne ihrer Gebärfähigkeit, in der Leben und Tod, Geburt und Verlust untrennbar miteinander verbunden sind.
Gerade im heutigen, von der körperlichen Realität weit entfernten Diskurs um Geschlecht sehe ich besonders auch im künstlerischen Bereich die Notwendigkeit, eine Symbolisierung für das weibliche Genitale zu entwickeln, welche sich nicht wie bisher als unvollständige, mangelhafte Abweichung vom männlichen Geschlecht definiert. Nur mit solch einer unabhängigen Symbolik der Vollständigkeit könnten sich Frauen erst mit ihrem natürlichen Mangel, ihrer eigenen Endlichkeit auseinandersetzen und diesen anerkennen. Dazu gehört meines Erachtens aber eben auch die Anerkennung des Gegenteils, der Gebürtlichkeit und der Nähe des Weiblichen zum Lebenszyklus, sprich: der Nähe der Frau zur Natur. Oder um es mit den Worten von Barbara Rendtorff zu sagen: “Ich frage mich, ob es nicht sinnvoll wäre, [das] Bild vom weiblichen Körper als Behausung rückzuerobern, statt es dem Zugriff biologisch-deterministischer Konzepte zu opfern – aus Furcht, selber nicht imstande zu sein, die Bilder und ihre Indienstnahme auseinander zu halten”.